Magdeburg im "Tante Ju" am 27.05.2017

Bericht von Kundi

Dieses Konzert wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben, denn an diesem 27. Mai 2017 trafen in der Gegenwart mit den legendären KLOSTERBRÜDERN (später Gruppe MAGDEBURG) die Vergangenheit und mit der Dresdner ANDI VALANDI & BAND die Zukunft deutschsprachiger Rockmusik aus dem Osten aufeinander. Man sollte meinen, dass der Saal von Dresdens bestem Liveclub „Tante JU“ bei so einem starken Paket aus allen Nähten platzen würde. Aber dem war leider wieder mal nicht so, das hat mich schon überrascht. Immerhin war das technisch gut ausgestattete Konzerthaus an diesem Abend zumindest für die Anwesenden der Mittelpunkt der Rockwelt. Wer nicht dabei war, hat auch echt etwas verpasst. Zum Beispiel die wunderbare BEATA KOSSOWSKA, die „First Lady of Bluesharp“.

Die im polnischen Plonsk geborene Frau hat die ostdeutschen Bluesfans in der zurückliegenden Zeit mit ihren Gastauftritten bei Bands wie MONOKEL KRAFTBLUES oder ENGERLING, sowie mit ihren eigenen Bands bzw. Projekten im Sturm erobert. BEATA ist sehr umtriebig, das belegen auch ihre Bands wie BLUE AIRTRAIN, UNITED BLUES EXPERIENCE (mehrere CD-Veröffentlichungen), KOSSOWSKA/KLUNKER/RUMMEL BAND und andere. Außerdem gibt sie ihr Können und Wissen als Musikerin auch in Workshops sowie in Kursen an Volkshochschulen weiter. Mit „Die Mundharmonika in der Praxis“ hat sich auch ein Lehrbuch veröffentlicht. So wie bei diesem Gig in Dresden wird sie im Jahr 2017 noch mehrere Konzerte als Gast der KLOSTERBRÜDER bestreiten. Ich kann euch nur empfehlen, wenn der sympathische Harp- und Gesangs-Wirbelwind in eurer Nähe spielt, geht hin, besonders dann, wenn sie mit der Rocklegende KLOSTERBRÜDER auftritt.
Doch jetzt schalten wir zurück in die „Tante Ju“. Die Bühne gehörte zuerst ANDI VALANDI & BAND, die ja einen kleinen Heimvorteil hatte. Das Trio hat seine Chance genutzt und eine blitzsaubere Mugge hingelegt. Die Band legte einen ganz speziellen und abgefahrenen, schmutzigen, ruppigen und rotzigen Blues(-Rock) auf. Ich würde mal so sagen, dass es eine Form von Straßen- und (Groß-)Stadtblues handelt, der sich nicht an herkömmliche Bluesschemata hält, sondern auch Einflüsse aus Punk, Indierock und anderen Sparten enthält.
Der 1990 geborene Sänger und Gitarrist ANDI spielt nicht nur eine beachtliche Gitarre, sondern er hat auch eine sehr tiefe und raue Gesangsstimme. Er klingt zwar nicht ganz so extrem wie TONI MAHONI (den wir damals beim GUNDI-Tribut in der Berliner Columbiahalle erlebten), aber seine Röhre ist doch sehr markant mit einem hohem Wiedererkennungswert.
Inhaltlich handeln die eigenen Songs der ANDI VALANDI BAND vom Leben in all seinen Facetten. Es sind in Musik verpackte Alltagsgeschichten, denen zuweilen auch ein gewisser Humor nicht fremd ist. Lieder wie „Lass den Kopf nicht hängen“, „Herr Lehmann“, „Underground im Altersheim“, „Rebellion und Zigaretten“ oder „Muddi muss weg“ gehen ab wie Schmidts Katze. Das ist treibender kräftiger Blues(-Rock) mit wuchtigen Schlagzeugschlägen, einer hammerhart gespielten E-Gitarre und einem Keyboard, welches den Laden zusammenhält. Dazu kommen von Zeit zu Zeit noch die Töne einer Harp.
VALANDI hat mit FRANK DRESIG (Keyboard, Mundharmonika) einen erfahrenen und vielseitigen Musiker an seiner Seite, der auch in der ANGRY LIL‘ BLUES BAND, in der Rock- und Soulband hiPhi und bei der NEUEN DRESDNER KAMMERMUSIK (Zeitgenössische improvisierte Musik) seine Kreise zieht oder gezogen hat.
Schlagzeugerin YVONNE RÜHLE kommt von der Band KLANGTEPPICH und spielt außerdem noch bei der DRK-Band Sachsen (einer Freizeitband haupt- und ehrenamtlicher DRK-Mitglieder). Die DRK-Band wird vom Namensgeber auch unterstützt. Die Frau spielte bei diesem Konzert der ANDI VALANDI BAND so was von ausdauernd und hart, das war schon beeindruckend. Das Trio konnte an diesem Abend weit mehr als einen Achtungserfolg einfahren und man darf gespannt sein, wie sich diese Band weiterentwickelt.
Mit ihren langen Ledermänteln kamen DIETRICH `“DIDDI“ KESSLER (Querflöte, Saxofon, Gesang) und HANS-JOACHIM „HAJO“ KNEIS (Gesang) auf die Bühne. Zusammen mit Gitarrist JÖRG „MATZE“ BLANKENBURG bilden sie das Trio der verbliebenen Gründungsmitglieder. Schlagzeuger BERND SCHILANSKI und Bassist ANDREAS KUHNT kamen erst 1979 zur neuformierten und umbenannten Gruppe MAGDEBURG. Das dienstjüngste Bandmitglied ist heute Tastenmann PETER EICHSTÄDT.
Mit „Untreue Freunde“ ballerten die KLOSTERBRÜDER gleich einen ihrer Hits in die Halle. Von denen sollte in den nächsten Stunden noch einige folgen. Der leicht hardrocklastige Sound der KLOSTERBRÜDER sprang sofort auf die Fans über. Als DIETRICH KESSLER im Mittelteil des Songs die ersten Töne auf der Querflöte erklingen ließ, brandete Szenenbeifall und Jubel im Rund auf. Der Mann ließ sein Können an Saxofon und Querflöte die ganze Mugge über immer wieder aufblitzen und das war ein Genuss.
Gerade das Lied „Untreue Freunde“ ist ja eines von mehreren Beispielen welche Steine der Band von übereifrigen Lektoren in den Weg gelegt wurden. Das Lied musste ja 2 Mal verändert werden. „Schweigt ihr Propheten“ war die zweite Fassung, die nicht durch die Kontrolle ging. Erst „Gottlose Lieder“ bekam den „Segen“ der Kultur-Oberen.
Aber ich möchte heute gar nicht so viel von der Vergangenheit schreiben. Vielen von uns ist die Geschichte der KLOSTERBRÜDER und der Gruppe MAGDEBURG bekannt. Die Band mit ihren langhaarigen Musikern, ihren hinterherreisenden Fans und ihrem „Kirchennamen“ war den Oberen von Anfang an suspekt. Ich nenne mal die Stichworte Umbenennung, die langen Haare, welche die Band nicht mal für einen der begehrten Fernsehauftritte hergab, der Ausreiseantrag der geschlossenen Band, die Haft von KESSLER und KNEIS mit dem anschließenden Freikauf. Der Band und insbesondere KESSLER und KNEIS wurde erhebliches Unrecht angetan, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Doch auch da irrten die Funktionäre, dass sie die Band einfach aus den Köpfen der Menschen löschen könnten. Wie schon bei RENFT und anderen ließen sich die Fans nicht vorschreiben, was sie zu denken haben und welche Musik sie zu hören haben. Die KLOSTERBRÜDER und ihre Lieder geisterten weiter in den Gedanken der Fans, wenn auch einige von ihnen den Musikern die Umbenennung in MAGDEBURG zeitweise übel nahmen.
Die KLOSTERBRÜDER bastelten in Dresden eine nahezu sensationelle Kette aus ihren Liedern und einigen Coversongs zusammen. Da blieben eigentlich keine Wünsche mehr offen. „Kalt und Heiß“, „Was wird morgen sein“, „Wenn ich zwei Leben hätt“, das von mir innig geliebte Schmuckstück „Lied einer alten Stadt“ waren zu hören und wieder mal wurde mir bewusst, dass MAGDEBURG bzw. die KLOSTERBRÜDER nicht nur für außergewöhnliche Musikalität standen und stehen, sondern auch für anspruchsvolle Texte.
Was für ein Meisterstück ist alleine „Verkehrte Welt“. Eine Magdeburger Band verarbeitete hier die Geschichte des großen Sohnes der Stadt und Wissenschaftlers Otto von Guericke und seines bekanntesten Experimentes. Im 17. Jahrhundert war er es, der da experimentierte um den Luftdruck zu erforschen. Dabei kam er auch dem Vakuum und seinen Kräften auf die Spur. Er fügte 2 Magdeburger Halbkugeln aus Kupfer zusammen, dichtete diese ab und pumpte sie luftleer. Diese Verbindung konnten selbst 16 Pferde (8 auf jeder Seite) mit ihren Kräften nicht trennen. Erst als wieder Luft in die Halbkugeln gelassen wurde, löste sich die Verbindung. Ich finde, dass das Lied „Verkehrte Welt“ geeignet ist, jungen Leuten auch Geschichte näher zu bringen.
Das Instrumentalstück Orient X-Press zeigte die Instrumentalisten gemeinsam in Höchstform. Was für herrliche Klänge sich da in den Ohrgängen aufbauten. Natürlich wollten die Fans auch Internationale Perlen hören, die die KLOSTERBRÜDER in der Vergangenheit schon spielten. Selbstverständlich brauchten sie darum nicht zu betteln, denn die Band spielte unter anderem „How The Gipsy Was Born“ von FRUMPY (der Band mit der sagenhaften Sängerin INGA RUMPF) und natürlich auch Lokomotive Breath“ von JETHRO TULL.
Es war fast ein Gitarren-Gottesdienst, was MATZE BLANKENBURG, der sich bescheiden im Hintergrund aufhielt, auf seinen 6 Saiten zelebrierte. Dieser Mann hat nicht nur die KLOSTERBRÜDER mitgeprägt, sondern ein paar Jahre später auch die Gruppe REFORM.
HANS-JOACHIM KNEIS holte immer noch mehr als beachtliche Klänge und Töne aus seiner Stimme heraus. Er zählt unbestritten zur Gilde der besten Rocksänger des Landes. Schön war auch zu erleben, wie er die Zuhörer immer wieder mitnahm bzw. aufforderte mitzumachen.
Der Gesang wurde bei diesem Konzert auf 3 Solisten aufgeteilt. Neben HAJO sangen auch PETER EICHSTÄDT und BEATA KOSSOWSKA einige Stücke. Das brachte frischen musikalischen Wind und Bewegung auf die Bühne. Sehr toll war auch das Mundharmonika-Duell der beiden.
Drummer BERND SCHILANSKI (u.a. früher auch bei MCB und SCHESELONG) und Bassist ANDREAS KUHNT (auch Gesang) bildeten eine formidable Rhythmus-Gruppe. Die beiden Herren lieferten ihren Kollegen genau den rhythmischen Rahmen den sie brauchten und zwar auf den Punkt.
Die KLOSTERBRÜDER und BEATA KOSSOWSKA bildeten eine bemerkenswerte und schöne musikalische Einheit, bei welcher es nur Sieger gab. Band, BEATA und Publikum feierten einen denkwürdigen Abend. Bis zur letzten Zugabe gaben alle beteiligten Musiker ordentlich Gas. Mir hat der Abend richtig Spaß gemacht und da schließe ich auch die Vorband ANDI VALANDI & Band mit ein.
Gruß Kundi